Will man die Entstehung eines Wappens untersuchen, so ist es zweckmäßig,
zunächst einmal die verschiedenen Arten der Entstehung von Wappen zu prüfen.
Betrachtet man den ursprünglichen Begriff des Ausdrucks, so stellt man bei der
sprachlichen Untersuchung fest, dass im Mittelalter mit dem Wort „w â p e n“
ursprünglich alle Waffen, später vor allem Abwehrwaffen, besonders die Schilde,
bezeichnet wurden. Der Germane und besonders der Deutsche stand nun stets zu
seinen Waffen in einem persönlichen Verhältnis, das so weit ging, dass man
einzelnen Waffen sogar einen vertrauten Namen gab, wofür Siegfrieds Schwert
Balmung beispielhaft erwähnt sein mag. Was für das Schwert der Name bedeutete,
das wurde die persönliche Bebilderung oder Beschriftung für den Schild.
Ursprünglich wechselte dies Bild auch beim einzelnen Schildträger von Schild zu
Schild. Als aber im 12. Jahrhundert und später nicht mehr mit offenem Helm,
sondern mit geschlossenem Visier gekämpft wurde, erkannte man das Gesicht des
Gegners nicht mehr. Da aber der Ritter, auch ohne sein Gesicht zu zeigen, dem
Gegner doch kundtun wollte, gegen wen dieser kämpfte, gab er sich durch
besondere symbolische Zeichen zu erkennen. Es kam vor, dass ein Ritter nur unter
diesem Zeichen, nicht unter seinem wirklichen Namen bekannt war. Das
Erkennungszeichen aber wurde nun die für die Persönlichkeit des Trägers
charakteristische Bemalung des Schildes. Diese Bemalung wechselte nun nicht mehr
auf den einzelnen Schilden eines Schildträgers. Jeder Ritter trug auf allen
seinen Schilden das gleiche für ihn geltende Persönlichkeitszeichen, das mit der
Zeit dann für die ganze Familie des Ritters charakteristisch wurde und sich
schließlich von Generation zu Generation vererbte. Während man zunächst den
Schild in seiner Gesamtheit als „wâpen“ bezeichnete, ging nun in einem
Bedeutungswandel des Ausdrucks die Bezeichnung auf einen Teil des Schildes,
nämlich auf das aufgemalte Bild über. Der Ausdruck erhielt damals die Bedeutung,
die bis heute noch für ihn gilt. Aus der Schildbemalung entstanden die meisten
ritterlichen Wappen ältester Zeit. Diese Bemalung wurde auch häufig noch
weiterentwickelt. Da der Ritter den Schild meist vor den Körper hielt, wurde das
Wappen im Kampfgetümmel häufig erst in der Nähe erkennbar. Da der selbstbewusste
Ritter jedem aber schon von Weitem zeigen wollte, wo er kämpfte, schmückte er
die hochragende Helmspitze mit einem Federbusch, einer Helmzier, die wieder in
Form und Farbe bei jedem Ritter verschieden war. Man nannte diese Helmzier das
Kleinod und malte dieses Kleinod auch häufig als oberen Abschluss des
Wappenbildes auf den Schild. Daher kommt es, dass Familienwappen oft einen
federbuschartigen Abschluss am oberen Wappenrand tragen. Da das Wappen nun
einmal charakteristisches Merkmal für eine Persönlichkeit war, hatte man nun
auch ein Zeichen, das an die Stelle einer Unterschrift treten konnte, die
mancher Ritter zu leisten nicht fähig war, weil er weder lesen noch schreiben
konnte. Hartmann von Aue hebt rühmend einen Ritter hervor, weil er „so geleret
was, daz er in den buochen laz“. Musste nun ein Ritter etwas unterschreiben, so
brauchte er nicht unbedingt nur ein Kreuzchen oder deren mehrere zu zeichnen,
sondern er konnte seinen persönlichen Willen durch die Beifügung eines
Wappenbildes bekräftigen. Dieses Wappen wurde nun als Siegel gestaltet und fand
eine neue Anwendungsart. Allmählich wurde es nun üblich, alle bedeutenderen
Schriftstücke zu siegeln. Bald entstanden aber auch Siegel, die nicht aus einem
Wappen entwickelt waren. Das traf vor allem für die Siegel der Gemeinwesen zu.
Sie legten sich Siegel zu bzw. bekamen das Siegelrecht verliehen, und in einer
bürgerlichen Nachahmung ritterlicher Gewohnheit entstanden aus derartigen
Siegeln Wappen. Der Vorgang ist also genau umgekehrt wie bei der Entstehung
ritterlicher Wappen und Siegel. In dem einen Falle entsteht aus dem Wappen das
Siegel, im anderen aus dem Siegel das Wappen. Der letztere Vorgang ist auch für
das Mülheimer Stadtwappen nachweisbar. Als Herzog Wilhelm IV. von Berg am 22.
Juni 1575 der Freiheit Mülheim ein Siegel verlieh, begründete er das damit, dass
„burgermeister, scheffen und geschworen unser freiheit Mülheim biß anher mit
keinem eignen sigel, wie sich doch vermoege unser rechtsordnung gebüret,
versehen.“ Das von dem Herzog der Freiheit Mülheim verliehene Siegel wird in der
Urkunde besonders beschrieben. So sollte ein „Mülheimer Schiff“ mit einem
Bootshaken vorn im Schiff zeigen. Die heute noch erhaltenen ältesten
Siegelabdrucke zeigen aber einen Nachen und keines der als „Mülheimer Schnecken“
bekannten Mülheimer Schiffe, durch die Mülheim am ganzen Mittel- und Niederrhein
bekannt wurde. Der Löwe am Ruder ist auch kein „klimmender“, sondern ein auf den
Hinterbeinen stehender Löwe. Wahrscheinlich wurde aber zu der Zeit des Herzogs
das Aufrichten des Löwen als „Klimmen“ bezeichnet. Das Siegel zeigt dann an
seinem oberen Rand noch drei mehrzinnige Mauertürme, die in der
Verleihungsurkunde nicht erwähnt sind, die aber hier in der Art einer Helmzier
der Abschluss am oberen Siegelrand bleiben. Von der Verleihung des Siegels an
die Freiheit Mülheim bis zur Entstehung des Mülheimer Wappens vergeht noch eine
geraume Zeit. Es liegen kaum Berichte über das Vorhandensein eines Mülheimer
Wappens aus dem 18. Jahrhundert vor. Im alten Rathaus an der Freiheitstraße war
ein Stein eingelassen, der das Wappen zeigte. Erst im vorigen Jahrhundert
tauchte das Mülheimer Siegel in Wappenform stärker auf. Betrachtet man die
Dreifarbigkeit des Mülheimer Wappens und der Mülheimer Fahne, so liegt der
Schluss nahe, dass die Zusammenstellung der Farben in Wappen und Fahne erst nach
der Französischen Revolution erfolgt ist. Der um die Darstellung der Mülheimer
Geschichte so sehr verdiente Rektor Bendel irrt wahrscheinlich in der
Auffassung, wenn er sagt, dass die bergischen Landesfarben schwarz-weiß-blau
ursprünglich auch als Farben der Freiheit Mülheim galten. An einer anderen
Stelle erwähnt er Rot als zu den der Trikolore der Französischen Revolution fast
unerkannt. Fahnen waren bis zu dieser Zeit meistens ein- oder zweifarbig. Auch
die dreifarbig gestreifte heutige deutsche Reichsfahne entstand erst als Idee in
der Zeit der Burschenschaftsgründung, und zwar aus der alten Kaiserstandarte des
Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Sie zeigte den Reichsadler mit
rotem Schnabel und roten Krallen auf goldenem Grund. Rektor Bendel erwähnt
selber nun auch noch, dass die Stadtverwaltung in der Zeit vor dem Ersten
Weltkrieg im Einvernehmen mit dem Archivdirektor Ilgen aus Düsseldorf in der
Reihenfolge rot-weiß-blau feststellen ließ und damit den willkürlichen Wirrwarr
in dieser Frage beendete. Es ist grundsätzlich wohl anzunehmen, dass auch die
Dreifarbigkeit der Mülheimer Fahne nicht aus einer Zeit vor der Französischen
Revolution stammt. Was die Deutung dieser Farben betrifft, so kann man wohl
feststellen, dass damit die Verbundenheit zwischen Wittelsbach und Berg
ausgedrückt wird. Das Herzogtum Berg kam 1614 durch den Vertrag von Xanten, der
den Jülich-Bergischen Erbfolgestreit abschloss, an Pfalz-Neuburg, auch Oberpfalz
genannt, wo die Wittelsbacher regierten. Als dann im Jahre 1685 die Oberpfalz an
Bayern kam, erhielten die Wittelsbacher dieser oberpfälzischen Linie die
Kurpfalz sowie die bergischen Besitzungen. Das Herzogtum Berg und damit Mülheim
stand also seit 1614 bis zur Übernahme als Großherzogtum durch Napoleons
Schwager Murat im Jahre 1806 unter wittelsbachischer Herrschaft. Die
wittelsbachischen weiß-blauen Farben sind in der Mülheimer Fahne mit dem Rot der
Herzöge von Berg zusammengeschlossen. Auch das Mülheimer Wappen wurde erst auf
ausdrücklichen Antrag der damaligen Mülheimer Stadtverwaltung vor dem Ersten
Weltkrieg durch das Königlich Preußische Heroldsamt nach heraldischen
Grundsätzen festgelegt. Daraus ist zu schließen, dass zwar ein Wappen bekannt,
aber nicht amtlich anerkannt war. Mit dem Wappenvorschlag dieses Heroldsamtes
war aber die Stadtverwaltung nicht einverstanden, und es entstand schließlich
nach dem Entwurf des sachverständigen Professors Döpler und im Einvernehmen mit
dem schon erwähnten Archivdirektor Ilgen das Wappen Mülheims in seiner heutigen
Form. Mag das Mülheimer Wappen auch in der Form, die wir heute führen, ein
Ergebnis unseres Jahrhunderts sein, so ist doch seine Symbolik älter und
andererseits auch zukunftsmahnend. Mit starker Hand steht der Mülheimer Bürger
im Vorderschiff. Der Bergische Löwe beherrscht aufrecht stehend das
Hinterschiff. Das bergische Hinterland Mülheims steht also auch auf dem
Mülheimer Schiff. Die Stadt des Handels, der Industrie und des Gewerbes arbeitet
gemeinsam mit ihrem bergischen Hinterland an einem Ziel. Es gilt das Mülheimer
Schifflein mit sicher nach vorn gerichtetem Bürgerblick und in guter
Zusammenarbeit und Verbundenheit mit dem bergischen Hinterland gut über die
Wogen zu bringen, auf denen es schwimmt. Möge die Symbolik des Mülheimer Wappens
stets wegweisend für das im Laufe der Geschichte so erfolgreiche Mülheimer
Bürgertum sein und bleiben.
Martin Friederichs,
Chronist im GMKG-Vorstand.
Getextet für das GMKG-Liederbuch 1960.
Gründe, Entwicklung und Ende der Rivalität zwischen Köln und Mülheim
Woher kommt der Name von Köln-Mülheim, als es noch "Mülheim" hieß?
In memoriam Willi Ostermann - Ein großer Name im Kölner Karneval
Unser altes Mülheim am Rhein vor 100 Jahren!
Bekannte Mülheimer Familien um das Jahr 1800
Zur Geschichte der Mülheimer Krankenhäuser
Wo kommt das Mülheimer Wappen her
Unser Muellemer Böötche
Geschichtliches aus dem alten Mülheim
Die Geschichte der Großen Mülheimer Karnevalsgesellschaft und der Kölner Karneval - ein Stück Kulturgeschichte
Theaterstück über die Gründung der G.M.K.G.